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I. Einleitung


Die deutsche Arbeiterbewegung mit all ihren Strömungen, Einzelpersonen und Splittergruppen kann als keine einheitliche Bewegung gesehen werden. Es soll durch die Darlegung der Schwäche der Arbeiterbewegung, die gerade in dieser Zersplitterung begründet liegt, keineswegs ein einseitiges Bild gezeichnet werden. Der gesamten Bewegung vorzuwerfen, sie hätte keinen Widerstand geleistet, täte all jenen mutigen Personen und Gruppen unrecht, die sich nicht angebiedert haben und sich der allgemeinen Ausrichtung hin zu der NSDAP widersetzt haben. In der Kürze, die ein Drittel eines Gesamtreferats vorgibt, muss sich jedoch auf die Gewerkschaften, die SPD und die KPD in ihren Haupttendenzen beschränkt werden.
Viele Einzelgewerkschaften fuhren einen Gegenkurs zu den großen Gewerkschaften und dem DGB, es gab sich der Parteimeinung widersetzende Splittergruppen von SPD und KPD; wobei sich insbesondere die KPDO hervorgetan hat, die das Vorgehen der Parteien nicht gestützt hat und immer wieder zu gemeinsamen Gegenaktionen aufrief.
Doch anhand des Verhaltens der drei "Großen" der Arbeiterbewegung kann zumindest ansatzweise aufgezeigt werden, wie und wieso es Hitler gelungen ist, diese so leicht zu zerschlagen.

II. Entwicklungen vor 1933 - Weimarer Republik


1. Gewerkschaften


In der Weimarer Republik kann von einer Schwäche der Gewerkschaften insofern gesprochen werden, als dass es keine einheitliche Gewerkschaftsbewegung, sondern viele Richtungen innerhalb der Gewerkschaften gibt.
In verschiedene Gewerkschaften gespalten gibt es die christlich-nationalen, eher liberalen und sehr katholischen Gewerkschaften; auch der Deutsche Gewerkschafts Bund (DGB) und der Allgemeine Deutsche Gewerkschafts Bund (ADGB) vereinen viele Strömungen, so dass eine gemeinsame Kampffront aller Gewerkschaften bis 1933 nicht existiert.
Die Generalstreikbewegung beim Kapp-Putsch wird gerne als glanzvoller Höhepunkt der Gewerkschaftsbewegung gesehen, vor allem in der Basis der Gewerkschaften lebt der Glaube an die Macht des politischen Generalstreiks weiter, während die Gewerkschaftsführung diesem eher skeptisch gegenübersteht.
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei (NSDAP) wird von vielen Gewerkschaften als eine Partei eingestuft, die sich auf unerfüllbaren Hoffnungen und Versprechungen gründet, laut Gewerkschaftseinschätzung zerbreche sie an der Unterschiedlichkeit ihrer Anhänger und den daraus resultierenden Interessenskonflikten.
Bei den Reichstagswahlen am 31.7.1932 fallen der NSDAP 37,3 Prozent der Stimmen zu, sie ist somit die stärkste politische Kraft im Reichstag. Trotzdem sehen einige Gewerkschaften schon in dieser Wahl den Niedergang der NSDAP, da sie Stimmenverluste in den Großstädten zu verbuchen hatte.
Als die NSDAP bei neuen Reichstagswahlen im November 1932 Stimmenverluste einbüßt, sehen sich die Gewerkschaften in ihrer Einschätzung bestätigt. Der Eintritt ins neue Jahr wird als Lösung des nationalsozialistischen Problems gefeiert, der vermeintliche Abstieg der NSDAP wird von gewerkschaftlicher Seite als Verdienst der verfassungstreuen Kräfte im Volke - allen voran der SPD und der Gewerkschaften - gesehen.
Im Januar 1933 erklärt der ADGB-Vorsitzende Theodor Leipart:
"Die Gewerkschaften müssen mit jeder Regierung rechnen. Wir müssen mit jedem Arbeitsminister verhandeln. Wir müssen auch zum Reichskanzler gehen, mag er heißen, wie er will."
Als Hitler zum Reichskanzler ernannt wird, spricht ihm die Gewerkschaftsbewegung keinen dauernden Erfolg zu.
Sie waren zu einseitig auf einen nationalsozialistischen Rechtsputsch fixiert und konnten sich nicht vorstellen, dass die Institutionen des demokratischen Staates benutzt würden, um Parlament und Demokratie auszuschalten.

2. SPD


Die SPD verfolgte in Weimarer Republik das Ziel einer Integration der Arbeiterklasse in die bestehende kapitalistische Gesellschaftsordnung.
Auf den Kapp-Putsch folgte bald der Versuch, einen Abbruch der außerparlamentarischen Kampfaktionen zu erzwingen.
Die Sozialdemokraten entschlossen sich für die Aufgabe der Interessenvertretung der Arbeiterklasse, sie duldeten Lohnkürzungen und die staatliche Subventionierung der besitzenden Klassen durch Steuervergünstigungen für Unternehmer.
Die Regierung Müller bricht auseinander, da die SPD Anfang 1930 den Kürzungen der Arbeitslosenversicherung nicht zustimmen kann. Auch im Zuge der sich immer deutlicher abzeichnenden Gefahr einer faschistischen Machteroberung verzichtet sie weiter auf außerparlamentarische Kampfaktionen.
In der von der SPD vorgenommenen Verurteilung des Kommunismus mangelt es einer genauen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dessen Zielen, es zeichnet sich vielmehr das Bestreben der Parteiführung ab, feste Vorstellungen und Einschätzungen über den Kommunismus zu vermitteln. Von der Sowjetunion wird durch die sich später in der Totalitarismustheorie wiederholende These, es bestehe Wesensverwandtschaft zwischen Kommunismus und Faschismus, ein ausschließlich negatives Bild gezeichnet und verbreitet. Zwischen SPD und KPD herrscht außerdem eine Konkurrenz um die Arbeiter als Wählerpotential.
Die SPD-Führung bekundet zwar nach außen einen Einheitswillen als Abwehr der faschistischen Bedrohung, rückt aber nicht durch konkrete Schritte vom anti-kommunistischen Kurs ab. Ihre antikommunistische Agitation trug sicherlich zur Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse bei.
Das Angebot der KPD am 16. Juni 1932, eine gemeinsame Demonstration gegen den Faschismus und die Papen-Regierung durchzuführen, wird von der SPD abgelehnt, es gibt allerdings einige wenige gemeinsame Einzelaktionen.
In der Faschismuseinschätzung der SPD wird mit Blick auf Italien betont, dort seien Verhältnisse günstig gewesen, und Deutschland sei schließlich nicht Italien. So sieht die SPD ebenso wie die Gewerkschaften die NSDAP als eine augenblickliche Erscheinung.
Nach den Juliwahlen 1932 heißt es von Seiten der SPD:
"Es ist also nichts geworden aus der Machtübernahme, und es wird auch niemals mehr etwas daraus werden. Der Traum von dritten Reich ist ausgeträumt. Die Wahl hat gezeigt, dass die Rechtsparteien in Deutschland niemals eine Mehrheit bekommen können und werden. Die Naziwelle ist zum Stillstand gebracht."1
Eine Ursache für diese eklatante Fehleinschätzung ist die Nichtbeachtung der Interessensidentität zwischen der besitzenden Klasse und den faschistischen Kräften, denen beiden unter anderem an einer Liquidierung der Arbeiterrechte gelegen ist.
Bis zum 30. Januar 1933 herrscht in der SPD die Überzeugung, der Faschismus sei in seiner Niedergangsphase.

3. KPD


Zum 1. Mai 1929 gibt die Kommunistische Partei Deutschlands einen Appell heraus:
"Die Sozialdemokratie ist die beste Schutztruppe für die deutsche Bourgeoisie, ist der breite Sturmblock des Faschismus und Imperialismus."
Es besteht die Hoffnung in der KPD, ein Frontalangriff gegen die SPD könne den Faschismus beseitigen. Beim Weddinger Kongreß im Juni 1929 - der letzte legale Kongreß vor der Machtübertragung - wurde weiterhin massive Kritik an der SPD geübt.
Ernst Thälmann schätzt auf dem Juliplenum des Zentral Komitees (ZK) 1930 die Lage sehr realistisch ein, wenn er sagt, ein Staatsstreich, wie ihn Mussolini unternommen habe, sei zwar in einem hochindustrialisierten Land nicht möglich, dafür bestehe aber die Gefahr der legalen Machtergreifung, abgesichert durch die Terrorverbände der Nazis.
Damit polemisierte er ganz klar gegen SPD und Gewerkschaften mit ihrer Unterschätzung der faschistischen Gefahr.
Als im April 1932 bei der Landtagswahl in Preußen die NSDAP die Mehrheit bekommt, bietet die KPD der SPD und den Zentrumsfraktionen an, bei den Wahlen für das Landtagspräsidium ihre Kandidaten zu unterstützen, die SPD lehnt jedoch ab.
Im Mai 32 fordert der Parteivorsitzende Thälmann, gegenüber den Sozialdemokraten den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus zu betonen; Thälmann kritisiert klar die von vielen KPD-Mitgliedern vorgenommene Gleichsetzung von Hitlerfaschismus und Sozialdemokratie.
Die Parteiführung startet einen Aufruf zur Bildung einer "Antifaschistischen Aktion", in der die KPD eine klare Mehrheit hat: unter 1465 Delegierten des Reichskongresses der Antifaschistischen Aktion sind nur 132 Sozialdemokraten. Die Antifaschistische Aktion will für ein sozialistisches Deutschland und die Abschaffung aller kapitalistischen Regierungen kämpfen, was als Zielvorgabe nicht mit SPD-Zielen übereinstimmt. So wird nur selten gemeinsam vorgegangen, einzig zum Schutz einiger Veranstaltungen von Arbeitern schließen sich die beiden Parteien zusammen.
Nach der Auflösung der sozialdemokratischen Preußischen Regierung am 20. Juli 1932 ruft die KPD zu einheitlichen Kundgebungen gegen die Regierung Papen auf; Vorschläge zu einem Generalstreik werden von der SPD abgelehnt.

III. Entwicklungen 1933 - von der Einsetzung Hitlers bis zu den Verboten


1. Gewerkschaften


Die Reaktionen der Gewerkschaften auf die Ernennung Hitlers läßt sich beschreiben als eine Politik des Abwartens mit Aufrufen zur 'Besonnenheit'.
Die Vorstände der Gewerkschaften appellieren an ihre Mitglieder:
"laßt euch nicht zu voreiligen und darum schädlichen Einzelaktionen verleiten"2
Die christlichen Gewerkschaften und die KAB (katholische Arbeiterbewegung) gehen Anfang '33 davon aus, dass Hitler lediglich ein Werkzeug sei, mit dessen Hilfe Papen an Macht zurückkehren wolle.
Der ADGB (Allgemeine Deutsche Gewerkschafts Bund) reagiert ablehnend auf Aufrufe der Kommunisten, eine Einheitsfront gegen den Nationalsozialismus zu bilden. Begründet wird diese Haltung mit dem Verhalten der KPD, sie wettere gegen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften als Wegbereiter des Faschismus, so dass eine gemeinsame Gegenwehr nicht möglich sei.
Die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen halten an dem Glauben fest, in der Stunde höchster Gefahr werde die Einheitsfront über die Köpfe der kommunistischen Führer hinweg entstehen, wobei durch die Verlagerung der Stunde höchster Gefahr in eine nicht abzusehende Zukunft deutlich wird, wie sehr der Beginn des Jahres 1933 von gewerkschaftlicher Seite falsch eingeschätzt wurde.
Anfang '33 besteht also durch die gegenseitigen Beschuldigungen eine Kluft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten sowie eine Spaltung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung.
Als die Nationalsozialisten nach dem Reichstagsbrand vor allem massiv gegen die Kommunisten vorgehen, betonen Gewerkschaftsfunktionäre die Leistungen der Gewerkschaften für Volk und Staat. So unternimmt man statt eines solidarischen Zusammenhaltens Absetz- und Abgrenzungsversuche von der SPD und den Kommunisten in der Hoffnung, das Überleben der eigenen Organisation zu sichern.
Nach den Wahlen am 5. März 1933 war zwar nun deutlich geworden, dass Hitler nicht nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen sein konnte, doch auch die Verhaftungswelle im März mit gewaltsamen Übergriffen gegen die Kommunisten vermögen keine Änderung in der gewerkschaftlichen Politik herbeizuführen; es folgen lediglich Appelle an Hindenburg, man möge doch die Gewerkschaften schützen.
In dieser Zeit läßt sich durch die Tendenz zur Anpassung und Anbiederung insgesamt eine "Entpolitisierung" der Gewerkschaften beobachten. Die gewerkschaftliche Arbeit wurde unabhängig von Parteikonstellationen als eine Art Pflichterfüllung gesehen.
Vor allem die christlichen Gewerkschaften beteuern ihre Bereitschaft zur Eingliederung in den "neuen Staat". Am 17. März 33 vermerkt Goebbels in sein Tagebuch:
"Ein paar Oberschlaue aus den Christlichen Gewerkschaften machen bei mir Besuch, um über die Teilnahme ihrer Anhänger am neuen Staat zu verhandeln. Ich lasse sie ganz kurz abfahren,. sie werden nicht mehr lange von ihren Anhänger reden können. Staunenswert, was sich alles dem neuen Staat zur Verfügung stellt."
die Gewerkschaften hofften bis zum Schluss, sie würden verschont bleiben, wenn sie sich nur anpassten, die gewerkschaftliche Anpassungsbereitschaft ging bis an den Rand zur Selbstaufgabe und erreichte diese schon bald:
Am 9. April erklärt sich der ADGB Vorstand bereit, die Selbstverwaltungsorganisation der Gewerkschaften in den Dienst des Staates zu stellen. Die Gewerkschaften sollen mit der NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellen Organisation) noch im April gleichgeschaltet werden. In den Gewerkschaften setzt sich die Idee einer Gleichschaltung von unten durch, um die Umbildung zur staatlichen Zwangsgewerkschaft zu verhindern. Zu dieser Gleichschaltung gab es natürlich auch Gegenstimmen innerhalb der Gewerkschaften, aber diese konnten sich nicht durchsetzen.
Gewisse Erosionstendenzen lassen sich schon vor der offiziellen Zerschlagung der Gewerkschaften beobachten; einzelne Mitgliedsverbände erklären ihren Austritt, der Bundesausschuss des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes
beschließt im Alleingang, sich aufzulösen und mit der Beamtenabteilung der NSDAP in Verhandlung zu treten.
Der AfA-Bund (Allgemeine Freie Angestellten Bund) löst sich auf und der DGB war bereits zerbrochen.
Der erste Mai wird von der nationalsozialistischen Führung zum "Feiertag der nationalen Arbeit" erklärt, somit wird der Kampftag der sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung zum Tag der Selbstdarstellung des NS-Regimes umfunktioniert. Unter dem Motto: "Ehret die Arbeiter und achtet den Arbeiter" ruft auch der Bundesausschuss des ADGB zur Beteiligung auf. Die christlichen Gewerkschaften begrüßen sogar die nationalistische Wendung der 1. Mai Feiern. In einer großen Inszenierung marschieren an diesem Tag die Nationalsozialisten gemeinsam mit vielen Gewerkschaften massenwirksam auf.
An diesem ersten Mai 1933 notiert Goebbels in sein Tagebuch:
"morgen werden wir nun die Gewerkschaftshäuser besetzen. Widerstand ist nirgends zu erwarten."
Der politische Selbstmord der Gewerkschaften hat ihre Auflösung nicht verhindern können, sondern erleichtert.

Von der Wahl am 5. März wird eine Niederlage für die NSDAP erwartet.
Die SPD bekundet zum Thema Widerstand immer wieder, sie wolle so lange verfassungstreu agieren, wie auch Hitler dies tut, wobei dieser Zeitpunkt nicht klar zu bestimmen ist und somit dies eine sehr schwammige Aussage bleibt.
Bis kurz vor ihrem Verbot am 22. Juni 1933 glaubt die Partei nicht daran, dass sie Liquidiert würde.
Ihr weiterhin bekundeter Einheitswillen und eine vorgeblich angestrebte Zusammenarbeit mit der KPD zu einer Einheitsfront steht nach wie vor im Widerspruch zum konkreten Verhalten der SPD, die sich dadurch, dass sie sich im Gegensatz zur KPD an die Verfassung halten möchte und sich dadurch weiter von der KPD abgrenzt. Der SPD-Abgeordnete Ernst Heilmann äußert am 4. Februar. 1933 im preußischen Landtag, dass Hitler für die Brechung des kommunistischen Terrors sei; die SPD unterstütze die Brechung jedes Terrors. Durch diese und andere Aussagen distanzierte sie sich weiter von den Kommunisten, um die eigene Position gegenüber den neuen Machthabern zu festigen.
Doch bald besteht auch Gefahr für SPD-Funktionäre, diverse Redner verzichten aus Sicherheitsgründen auf Wahlkundgebungen; das aggressive Vorgehen von SA und SS wird von der Polizei geduldet..
Nach weiteren Verschärfungen des Terrors zerfällt die SPD zusehends, viele Landesvorstände geben ihre Ämter auf, andere bekunden ihre Bereitschaft zu "sachlicher Zusammenarbeit" mit den neuen Machthabern. Der Landesvorstand Baden-Württemberg gibt am 10. Mai seine Selbstauflösung bekannt und beteuert, er habe "Inhabern von Mandaten empfohlen, Tätigkeiten in einem Sinne auszuüben, der keinen Zweifel an nationaler Gesinnung zulasse."
Die SPD Jugendorganisation SAJ trifft Vorbereitungsmaßnahmen für die Illegalität, die Parteiführer fordern die sofortige Einstellung der Maßnahmen und einige Jugendfunktionäre werden ausgeschlossen. Es folgt die Flucht vieler SPD-Funktionäre ins Ausland, die Kampfstellung der SPD solle von dort aus eingenommen und der Sitz des Parteivorstandes nach Prag verlagert werden. Dies stößt auf Widerstand des in Berlin zurückgebliebenen Restvorstandes unter Paul Löbe, der den eingeschlagenen Weg der Anpassung und des Verzichts weiter fortsetzen will.
Diese Haltung scheint im Nachhinein wenig nachvollziehbar, da die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai doch schon klar gezeigt hatte, dass Loyalitätsbeweise das Regime nicht von Liquidierungen abhielten.
Die Zurückgebliebenen urteilen scharf über die Emigranten und beschließen, dass der Sitz des Parteivorstandes weiterhin Berlin bleiben soll.
Am 19. Juni wird auf der Reichskonferenz der SPD öffentlich gemacht, dass die ins Ausland gegangenen Genossen keine Erklärungen für die Partei abgeben könnten.
In einer Verhaftungswelle durch SA und SS werden viele SPD-Funktionäre verschleppt, so dass es nun keinen Boden mehr für den Legalitätskurs gibt; der Streit zwischen "Prag" und "Berlin" wird damit entschieden.
Wichtig ist bei der Beurteilung des Verhaltens der SPD nach der Machtübertragung, dass die Entscheidungsträger der SPD eine relativ kleine Führungsgruppe waren, deren Vorstellungen ohne Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitglieder durchgesetzt wurden.

3. KPD


Am 30. Januar 1933 ruft die KPD zum Generalstreik auf:
"Heraus auf die Straße! Legt die Betriebe still! Antwortet sofort auf den Anschlag der faschistischen Bluthunde mit Streik, mit dem Massenstreik, mit dem Generalstreik!"
Da von 300.000 Mitgliedern der KPD ca. 250.000 arbeitslos sind, kann allerdings mit Streikaufrufen so gut wie keine Wirkung in den Betrieben erzielt werden.
Es besteht aber durchaus eine hohe Kampfbereitschaft in den Betrieben, die Arbeitnehmer sind voller Erwartungen an die Führungen von SPD und Gewerkschaften, die leider nicht erfüllt werden.
Käthe Kollwitz, Heinrich Mann und andere Intellektuelle rufen zu einem gemeinsamen Vorgehen bei den bevorstehenden Reichstagswahlen auf - erfolglos.
Nachdem am 2. Februar das Karl-Liebknecht-Haus besetzt wird, errichtet die KPD Quartiere im Untergrund und nimmt illegale Druckereien in Betrieb. Die ersten Vorbereitungen zur Illegalität waren schon ab Juni 1932 unternommen worden, der Übertritt zur Arbeit im Verborgenen wurde allerdings erschwert durch das Vorhaben, einen aktiven Wahlkampf zu betreiben, bei dem die KPD-Funktionäre in Erscheinung treten sollten. Eine Hoffnung und Illusion der KPD besteht in der Auffassung, die Aufrichtung der faschistischen Diktatur sei ein Schritt zur Beschleunigung der kommunistischen revolutionären Entwicklung.
Thälmann schreibt am 27. Februar einen offenen Brief: an die sozialdemokratischen und christlichen Arbeiter Deutschlands sowie an die Kollegen der freien Gewerkschaften und die Reichsbannerkameraden:
In dem gemeinsamen Kampfaufruf sagt er, es mache für "die faschistischen Meuchelmörder, die mit Dolchen, Revolvern und Bomben gegen Arbeiter wüten, keinen Unterschied, ob ihr das Mitgliedsbuch der KPD, der SPD oder der christlichen Gewerkschaften in der Tasche tragt."
Als nach den Wahlen am 5. März 1933 die 81 KPD-Mandate annulliert werden, schlägt das ZK der SPD Mitte März erneut vor, Mitglieder beider Parteien zum gemeinsamen Widerstand aufzurufen, mit der Zusage, sich für die Zeit des gemeinsamen Kampfes jedes Angriffs auf die Sozialdemokratie zu enthalten - die SPD lehnt wiederum ab.
Durch Massenverhaftungen und andere Schikanen gegen die Kommunisten ist die KPD Anfang März schon faktisch zerschlagen, so dass sie als Kern eines Massenaufstandes gegen das NS-Regime nicht mehr in Frage kommt. Trotzdem erwecken die Parolen auf ihren Flugblättern den Eindruck, die massive Gegenwehr stehe kurz bevor.
Am 1. Mai starten KPD-Mitglieder Aktionen gegen den - wie bereits erläutert von Gewerkschaften und "Nazigewerkschaften" gemeinsam begangenen - "Tag der nationalen Arbeit". Es werden revolutionäre Aufrufe an Wände gemalt, Flugblätter verteilt und rote Fahnen gehisst. Mitte Mai bildet die KPD eine Auslandsleitung. Die Arbeit in der Illegalität funktioniert, da die Kommunisten sich im Gegensatz zur SPD auf die Phase der Illegalität entsprechend vorbereitet hatten.
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